20110529

Ein Korb voller Gedanken.



Wer will schon verrückter sein, als man es nicht sonst längst ist? Ich brauche nichts, was ein Herz nicht versprechen kann, keine Worte die mich bindet an ein schweres Gerüst vermeintlicher Hoffnung. Die Tage umrunden mich, des Zirkels Kreise belassen mich kaum der Möglichkeit zu entfliehen, so hoch eine hohe Wand auch sein mag. Es verflüchtigt sich der Gedanke, es gäbe jemals etwas anderes als nur mich, sitzend in einem Korb voller Gedanken, locker geflochten mit dem fein illusorischen Gesagten. Das Schmunzeln verrät mich, die alte Einsamkeit ist ein geschickter Geiger, dessen klangvolle Melodie mich oftmals in wahrhafter Trübseligkeit einfängt. Aber nicht wirklich, denn es ist ein betagtes Stück, das sterbliche Erinnerungen als federleichtes Gewand zu nächtlichen Gedanken-Festen trägt. Im meisterhaften Theater ist die Rolle der Deutagonistin mir oft gewiss, eine tragödische Figur allzu bekannt und das charakterhafte Beispiel für Austen's Emma - dazu fehlt es mir kaum an jegliche Courage. Derweilen, wenn ich hier sitze und mich im anfänglichen Gitarrenspielen zu behaupten versuche, sagt mir die späte Stunde mehr, als meine Ohren wesentlich belauschen möchten. Vielmehr wird mein Bewusstsein zum scheinbar großen Denker, denn Welten sind zueinander keine komplementären Farben, sie verlaufen in differierenden Richtungen - eine durchaus zu bemitleidende und bekannte Sache. Wer aufhorcht, kann vielleicht noch die ergraute Eule in der späten Nacht eine kleine Gute-Nacht-Geschichte erzählen hören.




© mimiroux

20110525

Schlaffressende Nacht.



hipster | via Tumblr
Es gibt zweierlei Dinge, die einen schlafraubend den Abend bitter versüßen können: Zum Einen ist es die Tatsache, dass man etwas verloren hat, dass man zuvor noch besaß, allzu schnell, aber in einer gewissen Weise noch berechenbar. Zum Anderen sind es die launenhaften Dinge, die sich plötzlich verflüchtigen oder gar verselbstständigen, aber nie hatte man sie wirklich im handfesten Besitz.

Anschließend hantieren wir mit gedanklichen Verwirrungen, schuldlastigen Gefühlen - alles in allem ein Haufen von nicht erklärbaren Unbegreiflichkeiten. Des Herzens Augenpaar erkennt mit einem Mal Welten, monumental in ihren Erscheinungen, und Distanzen, die kein mathematischer Kopf je zu begreifen versteht.

Während die schlaffressende Leere sich ihren Weg durch die Synapsen bahnt, wächst jede noch so sinnlose Anti-Thesis zum großen Elefanten, stampfend läuft er seinen Weg im Dreieck. Wer kennt das nicht? Wenn die ruhige Nacht sich wie eine pubertierend 16-jährige drunkene Fiesta benimmt und das rebellisch aufgewühlte Herz einen ungewöhnlich reservierten Stillstand erleidet. 
Die Erinnerung duftet plötzlich ungewohnt nach holzener Rinde, irgendwie süß und verwegen, und spricht man meist schon im vergangenen Tempus, kann es hoffnungsloser gar nicht mehr sein. Er wirkt manchmal wie ein Fremder, und ich heiße 'Gestrandeter' auf einer australischen Insel im Salzmeer.

Man erkennt das Lächeln auf den Lippen, ertappt sich mit einem Eigenen, dass tausende Gedichte über die Ungewissheit sowie kleine Verlegenheiten spricht. Kein neigender Kopf kann erhofften Trost zusprechen, der Blick in des anderen Augen ist das, was wohl am Ende eines Filmes übrig bleibt. Es sind verschüttete Worte, ausgelöscht wie Teelichter durch eine zarte Brise Wind, die einen merken lässt, dass man inmitten einer trockenen Lache steckt. Zu manchen frühen Zeitpunkten, erwächst sich daraus eine charmante Brücke, in späteren Momenten wird sie von nüchternen Rissen verschluckt. 

Lieblich vernehme ich des Regens trommelnde Stimme, mich fragend, ob er nie verstummen würde, wenn ich versuchte zu weinen. Gefühlstöricht, wie ich bin, bleiben Gedanken eben nur Gedanken. Bevor mein Bett mich noch allzu sehr vermisst, sage ich im Stillen 'Gute Nacht', denn der Morgen spricht auch eine andere Sprache.



© mimiroux

Die Geschichte einer liebreizende Lady, die von einem chaotischen Rebell verzaubert wurde (ohne Vorwarnung).



"Sieh mich an!"

Ich stehe dort! Dort, auf der anderen Seite der verlorenen Straße. Ein charmantes Lächeln geht über deine Lippen, doch ich blicke selbstvergessend zur Seite, täusche vor, dich nicht gesehen zu haben. Ein spielerisch intensiver Blick, sie wollen meine huschenden Augen nicht loslassen. Was willst du von mir, du fremder Mensch?

"Komm, ich werde dich jetzt entführen!"

Es sind Worte, die so leicht über deine Zunge gehen, elektrisierend und liebreizend zugleich. Du bist wild, verrückt und unglaublich chaotisch! Ein Rebell, das ist es, was ich gleich intuitiv an dir wahrnahm. Doch leicht widerstrebend streife ich an dir vorbei, drehe mich tänzelnd herum und irgendwie muss ich verschmitzt grinsen, während wir uns unverwandt anschauen.

"Ich folge dir, bis ans Ende der anderen Welt!"

Ich drehe mich nochmal um, lachend, ich verstehe die Welt nicht mehr! Du holst mich ein, ganz souverän natürlich, erzählst mir von den aufregendsten Dingen, beschenkst mich mit allerlei umschmeichelnden Blicken und wagst es sogar, mich ganz und gar aus der Fassung zu bringen! Du möchtest gegen den Storm treiben, gegen all die Konventionen, und mich wie in einen Bann ziehend, mitreißen.

"Sag, dass du es nicht willst!"

Du machst dir nichts aus dumpfes Gerede und die gekünselte Maske der Gesellschaft, der materielle Traum einer plastischen Unwirklichkeit riecht dir nicht. Wie schaffst du das nur, du, mit deinem verlockenden Lächeln, poetisch geprägten Worten, legst deinen Kopf einfach leicht schief, dieses wilde Funkeln in deinen Augen, und schon sind meine entzückenden Schuhe wie verzaubert. Ziellos ist unser Weg.

"Lass uns tanzen.. auf der nächtlichen Straße, einsam in Zweisamkeit."

Ich werde von dir an der Hand genommen, ich drehe mich herum, elegant mit ausgelassener Art. Fang mich! Und ohne, dass du zögerst, werden wir beide von einer kindlichen Heiterkeit begleitet. Du neckst mich, das liebenswürdige Lächeln nicht vergessend, sodass ich wohl kaum recht weiß, was mit mir geschieht! Ein endloser Spaziergang mit dir, herumirrend in der großen leuchtend bunten Welt der Nacht.

"Darf ich dich küssen...?"

Ein letzter Augenblick. Der klare Nachthimmel über uns lässt die Sterne funkeln, blinkend wie einzelne Reklameleuchten. Ich wage es nicht zu blinzeln, aus Furcht einen unvergesslichen Moment aus meinem Blick gleiten zu lassen. Du näherst dich, ganz langsam ohne eine Spur von Hast, und plötzlich trat ein Spiegel vor unseren Augen. Wir leben in verschiedenen Welten, das wusstest du von Anfang an, genauso wie ich.
Unsere Wege trennen sich, ich muss fort! Alleine lasse ich dich stehend zurück.

"Ich hoffe, wir sehen uns eines Tages wieder! Denn du hast mich an diesem einen Tag ganz und gar verzaubert."



© mimiroux


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M y . I n s p i r a t i o n : http://www.youtube.com/watch?v=AZa1ViT4Ihc 


20110524

Der Pavian aus der Mean Street.



Jedesmal ist es ein unbegreifliches Begehen, Geschehen, und ich kann nur darum flehen, dass es mich nicht am Rande des völligen Verstandsverlusts treibt. Kleine Aberwitze, großer Aberwitz, doch der echte Witz ist von jetzt an ein waschechter Clown in erstaunlicher Lebensgröße. Auf Schritt und Tritt verfolgt er mich, mal kopfschüttelnd, mal hämisch lachend - es lässt mich ganz und ziellos in den Wahnsinn hineinlaufen. Ich habe es immer und immerzu gesagt, mir selbst und der Rest der Mannschaft auch: Die Welt ist verrückt, ein neckischer Haufen lilablassblau-bunter Schuhe. Man geht auf und ab, auf und ab, drehet sich galant im Kreise und ladet doch lediglich dort, wo man schon einmal, gleich abermals, gewesen war. Was für eine Leidenschaft die Appetitlosigkeit im Magen züngelt, vergleichbar mit einem feuchtfröhlichen Lagerfeuer, wo die wilden Affen, einen quatratischen Kreis bildend, tanzen. Zwei Mal in die Hände klatschen, nicht vergessen! Der nächste Takt ist dem Ohr weit voraus, eine gemeine Masche in der musikalischen Tasche. Ich solle mich verziehen, sagtest du - natürlich ungeniert charmant, ich solle hinfort, den Sack voll Bananen aber bitte hier lassen. Es stinkt nach französischem Délice de Bourgogne, verdorbenen Gitarren-Akkorden, umhüllt mit feinsten Edelschimmel á la Brillat-Savarin. Für eine bessere Vorstellung mit imaginärer Visualisierung, und rauschender Akustik: Die Mean Street entlang, 2.Stockwerk, 20 Meter west-östlich, 5 mal im Kreis drehen, die 3. Katzenklappe links. Ich glaube, langsam habe ich hier nichts mehr zu suchen. Das entzückende Frühstück am guten Morgen wartet singend auf mich: Zerknüllte Notizen mit blamablen Inhalt, und vielleicht noch eine Tasse Chai Tea als dezenter Geschmacksanpasser. 

Und wie ein weiser, alter Pavian zu sagen pflegte: "Mache Aussagen, die keine Aussagen sind! Verwirre dich selbst, so verwirrst du deinen Feind!" Dann streckte er mir den roten Arsch entgegen, stolzierte mit gehobener Nase hinfort, und auf einmal wusste ich, es war alles gut.



© mimiroux

20110523

Staub und Sandspur.


Wo kann ich hingehen, um zu bleiben? 
Meine Füße wandern auf und ab, unter mir ersteckt sich leise das feinste Sedimentgestein, der schlummernde Sand in der Nacht. 
Die Kälte schlägt mir umhüllend ins Gesicht, erbarmungslos. Doch nun liege ich hier, auf sanften Schlangenlinien, die sich von Hügel zu Hügel über die Wüste ziehen. 
Ein verlorener Gedanke spaziert die linke Wange entlang, wo er sich an der Kinnspitze schmerzlos verabschiedet. Mir fehlen unzählige Worte, jegliche gedanklichen Ansätze und mehr noch: Eine gewisse Feinfühligkeit. Ich selbst habe nie das Buch gefunden, der unausgesprochene Gedanken in dichterischen Zügen niederschreibt. So irrte und verwirre ich, mich und die anderen Stimmen. Meine Eigene habe ich vergraben, ob es ein Versuch bleibt, sei ohne Antwort in ungewisser Aussicht gestellt. Die Sandkörner brennen in meinen Augen. Der Wirbel reißt mich mit, und ich frage mich, woraus diese Kraft entspringt. Wenn der verzweifelte Durst mit dir spricht, kann ein Anfänger nur erschwert eine Antwort formulieren. Das Herz pocht, unruhig und orientierungslos, im gleichbleibenden Takt. Eine Löwentatze wollte ich sein, stark und farbkräftig, ohne gewillt sein zu müssen, fremde Wurzeln zu schlagen. Eine märchengleiche Wüstenblume ist das Einzige, was meine Augen entdecken, der wallenden Hitze trotzend, bis die allzu kurze Lebenszeit ihr ganz und immer entläuft. Was bleibt sind die dornigen Überbleibsel von scheinbar stummer Abweisung. Keine einsame Berührung schenkte ich ihr, aber weshalb flüstert mir eine innere Achtsamkeit über ein ratloses Begehen? Das Wahre ist womöglich eine kleine Fiktion, das lügnerische Spiel sollte kein Fakt sein, in keiner lieblosen Intention. Die Stimme, die versagt, in jenem stürmischen Moment; wortlos wandert die schwarze Tinte über atemlose Zeilen. Gar vielleicht vermag ich zum verschlafenen Lied singen können, jedoch hält mich die Zeit wie in einer Uhr voll schwerem Sand zurück. Was kann ich sagen, um zu sprechen?


Am Ende zerfalle ich doch nur zu Staub, während die letzte Klaviernote im Dunst langsam zum Schweigen kommt. Vielleicht ist das auch besser so.



© mimiroux